Rückblick: Kein „Tag der Bundeswehr“ 2016
An sechszehn Standorten feierte sich die deutsche Armee am 13. Juni 2016 selbst. Auch in diesem Jahr war der „Tag der Bundeswehr“ wieder das zentrale Werbeevent des Jahres, an dem die Bundeswehr um Zustimmung für ihre Einsätze und schon Kinder als Nachwuchs warb – unwidersprochen blieb das nicht: Ein Rückblick zum „Tag der Bundeswehr“.
Die Armee feierte den Tag als großen Erfolg und gab die Zahl von 260.000 Besucherinnen und Besuchern bei den 16 Veranstaltungen heraus – dass wären sogar noch mehr Menschen als beim „Tag der Bundeswehr“ 2015.[1] Wie viele Menschen tatsächlich zum Armee-Werbetag kamen, ist allerdings nicht bekannt: So kamen zur Luftwaffen in Neuburg an der Donau nur 20.000 statt der erwarteten 70.000 Besucherinnen und Besucher[2]; Die „Wehrtechnische Dienststelle“ bei Trier hatte wiederum 10.000 Menschen erwartet – nur 7.000 kamen[3]; Beim „Tag der Bundeswehr“ in Hohn (Schleswig-Holstein) konnte die Armee nur 37.000 statt der zuvor prognostizierten 60.000 Besucherinnen und Besucher zählen[4]. Bereits 2015 hatte die Bundeswehr 400.000 Menschen erwartet und „nur“ 250.000 kamen offiziell.[5] In jedem Fall übertreibt die Armee in ihren „blumigen“ Berichten über ihren Werbetag – die Proteste wurden in Gänze verschwiegen.
Im Gegensatz zum letztjährigen „Tag der Bundeswehr“ fanden die Aktionen gegen den Propaganda-Tag des Militärs 2016 koordinierter statt: Das „Netzwerk Friedenskooperative“, das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ und Vertreter der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) hatten sich schon Monate vor dem Militärtag abgesprochen und den gemeinsamen Aufruf „Kein(en) Tag der Bundeswehr“ veröffentlicht.[6] Es wurden zudem Friedensgruppen vor Ort angeschrieben und auf den „Tag der Bundeswehr“ vor ihrer Haustür aufmerksam gemacht. Um die Aktiven zu unterstützen, verschickte das „Netzwerk Friedenskooperative“ Aktionskisten mit zahlreichen Materialien wie Mobilisierungs-Postern, Flugblätter und Luftballons. Auch die Pressearbeit wurde gemeinsam erledigt – allerdings war die Resonanz in den Medien für den „Call for Action“ gegen den „Tag der Bundeswehr“ eher gering. Auch die von der DFG-VK erstellte satirische „Fake“-Website www.tag-der-bundeswehr-2016.de wurde von den Medien kaum wahrgenommen.
Besser lief für die Militärgegnerinnen und Gegner die mediale Verarbeitung der direkten Aktionen vor Ort. An mindestens zwölf der sechzehn Standorte fanden verschiedenste, mal kleinere, mal größere Aktionen statt, von denen einige hier kurz präsentiert werden sollen:
Wie schon im letzten Jahr präsentierte sich die „Streitkräftebasis“ auch 2016 in der Innenstadt von Bonn. Da es das Ordnungsamt verboten hatte, an allen fünf Zugängen zum zentralen Marktplatz Friedenskundgebungen anzumelden, gab es nur einen Anlaufpunkt für Militärgegner – der war mit rund 150 Aktivistinnen und Aktivisten aber umso größer. Bei Musik fanden verschiedene Aktionen gegen Bundeswehr-Werbung statt.
Vor dem Kasernentor des „Hubschrauberausbildungszentrums“ im niedersächsischen Bückeburg gab es einen Infostand verschiedener Friedensgruppen. Skurril: Die verteilten Flugblätter wurden den Besucherinnen und Besuchern am Eingang bei der Personenkontrolle wieder abgenommen und sogar Kindern wurden die aufgeblasenen Luftballons mit „Frieden schaffen ohne Waffen“-Slogan und zerbrochenem Gewehr-Motiv wieder von Soldaten zerplatzt.
In der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt bot die Streitkräftebasis einen Fuhrpark auf: Neben „Leopard“- und „Boxer“-Panzern gab es auch kleine Drohnen zu begutachten. Auf und um den Domplatz tummelten sich rund 70 Friedensaktivistinnen und Aktivisten und führten vor der Bundeswehr-Bühne, dem Werbelastwagen und den Panzern immer wieder kleinere Aktionen wie etwa ein „Die-In“ durch, bei dem sich die Aktivisten totstellen. Wie auch in Bonn so antizipierte die Bundeswehr die Proteste und griff nicht ein.
An der Bundeswehr-Universität in Hamburg konnten Besucherinnen und Besucher in einem Sarg der lokalen DFG-VK-Gruppe ‚probeliegen‘. Zudem war der Eingang des Armee-Geländes mit Kreideumrissen und (Kunst-)Blutflecken versehen. Die Aktion der etwa 70 Antimilitaristinnen und Antimilitaristen, die an der Aktion in Hamburg teilnahmen, war durch zahlreiche große Transparente schon aus der Ferne sichtbar.
Wer zum „Tag der Bundeswehr“ beim „Lufttransportgeschwader 63“ nach Hohn in Schleswig-Holstein wollte, musste an einem Eingang unter einem „Krieg beginnt hier!“-Transparent durchlaufen, das lokale Friedensgruppen dort aufgespannt hatten. Der Bundeswehr gefiel das nicht – machen konnten sie gegen die angemeldete Aktion aber auch nichts.
Mit einem Bus aus Stuttgart sind rund 50 Leute zu den Aktionen gegen den „Tag der Bundeswehr“ in Stetten am kalten Markt angereist. Hinzu kamen weitere Friedensaktivisten aus Baden-Württemberg, die trotz Ärgers mit der Polizei, die etwa das Verteilen von Flugblättern auf den Gehwegen vor der Kaserne verbot, an zwei Kundgebungen teilnahmen.
Ein ganzes Friedensfest fand vor der „Wehrtechnische Dienststelle 41“ bei Trier statt: Ein Kulturprogramm und Infostände verschiedener Friedensinitiativen boten eine bunte Alternative zur olivgrünen Armee-Veranstaltung. Doch auch in der Kaserne fand Protest statt – wie in Erfurt legten sich auch in Trier einige junge Aktivistinnen und Aktivisten „tot“ und mit (Kunst)Blutverschmierten T-Shirts vor Panzer.
Auch in Rostock-Warnemünde, Wilhelmshaven, Veithöchsheim (bei Würzburg), München und weiteren Städten fanden Aktionen statt. Auch die Medienarbeit war im Nachgang effektiv: Während es die Bundeswehr am 11. Juni trotz ihrer zahlreichen Veranstaltungen und eines Millionen-PR-Budgets kaum in die bundesweite Presse schaffte, so brachte sie eine Pressemitteilung des „Netzwerks Friedenskooperative“ und der DFG-VK, welche zusätzlich von der Kinderrechtsorganisation „terre des hommes“ durch Statements ergänzt wurde, in Nöte.[7] „PR-Gau beim ‚Tag der Bundeswehr‘“, titelte etwa „Spiegel-Online“[8]: In der Kaserne in Stetten hatte die Bundeswehr bereits Kleinkinder an Handfeuerwaffen gelassen. Aufmerksame Friedensaktivistinnen und Aktivisten hatten dies bemerkt und davon Fotos gemacht – diese wurden mit der Pressemitteilung am 15. Juni 2016 verbreitet und brachen einen Skandal los. Knapp einhundert Medien – von der „Tagesschau“[9] über die „Bild“[10] bis hin zur „Brigitte Mom“[11] – berichteten über die Kinder an Waffen bei der Bundeswehr. Da der Fall sogar gegen interne Richtlinien der Bundeswehr verstieß[12] und die Medien drängten, kam Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nicht umhin, eine Stellungnahme abzugeben.[13] Sie versprach Besserung: In Zukunft soll es keine Fälle von Kindern an Waffen bei öffentlichen Werbeveranstaltungen der Armee mehr geben.
Ob das eingehalten wird, bleibt abzuwarten – die Friedensaktivistinnen und Aktivisten werden ein Auge darauf haben. Auch wenn die Forderung der Friedensorganisationen lautet, keinen weiteren „Tag der Bundeswehr“ mehr zu haben, laufen bereits erste Planungen für die Gegenaktivitäten 2017.
Michael Schulze von Glaßer
[1] Kietzmann, Victoria: Über 260.000 Besucher erlebten am zweiten Tag der Bundeswehr ihre Streitkräfte zum Anfassen, in: www.tag-der-bundeswehr.de, 13. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[2] Dittenhofer, Manfred: Tag der Bundeswehr: Deutlich weniger Besucher als erwartet, in: www.augsburger-allgemeine.de, 12. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[3] Pütz, Karin: 7000 Besucher kommen zum Tag der Bundeswehr bei der Wehrtechnischen Dienststelle auf dem Trierer Grüneberg, in: www.volksfreund.de, 11. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[4] N. N.: „Tag der Bundeswehr“ in Hohn und Hamburg, in: www.welt.de, 12. Juni 2016 und Post, Tilman: Tag der Bundeswehr: Stelldichein der Giganten in Hohn, in: www.shz.de, 6. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[5] Pauli, Heike: Der Tag der Bundeswehr geht in die zweite Runde, in: www.tag-der-bundeswehr.de, 31. März 2016 und N. N.: Erster bundesweiter „Tag der Bundeswehr“ am 13. Juni 2015, in: www.bmvg.de, 8. Juni 2015 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[6] N. N.: CALL FOR ACTION: Kein(en) Tag der Bundeswehr, in: www.kein-tag-der-bundeswehr.de – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[7] N. N.: Grenze überschritten: Bundeswehr ließ Kinder an Handfeuerwaffen, in: www.dfg-vk.de, 13. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[8] Gebauer, Matthias: PR-Gau beim „Tag der Bundeswehr“: Bundeswehr lässt Kinder mit Gewehren spielen, 13. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[9] N. N.: Kinder + Waffen = PR-Desaster, in: www.tagesschau.de, 14. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[10] N. N.: Hier lässt die Bundeswehr Kinder mit Waffen spielen, in: www.bild.de, 14. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[11] N. N.: Bundeswehr lässt Kinder mit echten Waffen spielen, in: www.brigitte.de, 14. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[12] Schulze von Glaßer, Michael: Kinderkriegsspiele, in: www.sopos.org, Ausgabe 23/2011 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.
[13] Gebauer, Matthias: Fotos von Kindern am Gewehr: Von der Leyen verbietet „Waffen zum Anfassen“, in: www.spiegel.de, 14. Juni 2016 – letzter Zugriff am 18. Juli 2016.